Ruben Lehmann

-Die Müritz mit der Wanderjolle-

30.7.--4.8.2004

Eigentlich hatte ich geplant, ein paar Tage alleine mit meiner H-Jolle Mantje Timpe Te (H-443) den Sommer auf der Müritz zu genießen. Doch da mein Vater (Rolf Lehmann) so begeistert von der Idee war, musste nun das doppelte Gepäck auf das kleine Boot passen.

Am Feitag sollte es gleich vormittags losgehen. Um Freitagmorgen Zeit zu sparen, sollte das Boot bereits Donnerstagabend aus dem Wasser geholt werden. Gleich am Anfang der Reise gab es nun also einen ärgerlichen Zwischenfall. Es gab keine Chance den Trailer zur Slipanlage zu bekommen. Der Weg war lückenlos von den Autos der Badegäste zugeparkt. So mussten wir umständlich durch die engen Tore rangieren. Die Polizei interessierte sich nicht wirklich für dieses Problem. Hier also mein Vorschlag, um dieses langjährige Problem endlich mal endgültig zu lösen: Ein absenkbarer Pfahl muss her!

Als das Boot endlich bei mir zu Hause auf dem Hof stand, konnte ich das Gepäck und die Ausrüstung verstauen. Erstaunlich, was man alles auf einem 6,20 m langen Boot unterbringen kann. Da die H-Jolle vollkommen offen ist, packte ich alles was nicht nass werden durfte in leere Mayonnaise-Eimer, die mit den Deckeln wasserdicht verschlossen wurden. Die Kleidung kam in Müllbeutel, die mit Gummibändern verschlossen wurden.

Am nächsten Morgen fuhren wir gegen 11:00 Uhr los. Da man mit einem Boot am Haken sowieso in der Geschwindigkeit eingeschränkt ist, empfiehlt es sich, von dieser Gegend aus die B191 zu nutzen. Sie führt ziemlich direkt zum Ziel, während die Autobahnen einen großen Umweg machen.

Nach einer Essens-Pause an der Elbbrücke bei Dömitz kamen wir gegen 16:30 Uhr am Warener Stadthafen an. Das Einsetzen mit dem Kran sollte 35 (!) € kosten. Freundlicherweise sagte uns der Hafenmeister, dass ein paar Meter weiter eine Werft (Müritz Marina) mit Slipanlage ist. Hier konnten wir das Boot für 9 € zu Wasser lassen, was mir immer noch etwas übertrieben erscheint.

Auto und Trailer konnten auf dem Parkplatz zwischen Werft und Stadthafen geparkt werden.

Das Boot lag nun also im Werft- und Fischereihafen. Mein Vater ging los um etwas Verpflegung zu besorgen, ich fing an, das Boot zu riggen. Dank des Klappmastes ging es auch alleine recht gut und zügig. Als ich das Boot fertig hatte, setzte ich mich schwitzend und erschöpft in den Schatten. Kurz darauf kam mein Vater mit den Einkäufen und wir beluden das Boot. Der Chef der Werft erlaubte uns gegen ein Trinkgeld bis morgens im Werfthafen zu bleiben. Inzwischen war es 19:30 Uhr und wir beschlossen, uns mal den Stadthafen genauer anzugucken. Seit der Wende hat sich Waren komplett geändert. Man sieht kaum noch den grauen Einheitsputz der DDR. Überall sind neu gepflasterte Straßen und die Häuser sind liebevoll renoviert, umgebaut und farbenfroh gestrichen. Am Hafen sind zahlreiche Kneipen, Cafes und Restaurants. Wir aßen und tranken im China-Restaurant ,,Hong’’, von dessen Terrasse man gut ein- und auslaufende Schiffe beobachten kann.

Anschließend gingen wir wieder zum Boot und ich konnte endlich einen erfolgreichen Test mit meiner selbstgebauten Motorhalterung durchführen. Auf Grund des langen Achterdecks kann der Motor am Heck nicht bedient werden. Deshalb musste ich eine abnehmbare, seitlich anzubringende Halterung bauen. Die Manövriereigenschaften sind dennoch gut.

Den Rest des Abends verbrachten wir direkt am Stadthafen in ,,Anja’s Rock-Cafe’’, wo jeden Freitagabend Live-Musik ist. An diesem Abend spielte eine sehr gute Rock-/Folkband. Die Stimmung in der Kneipe war unbeschreiblich. Übrigens sollte man mal ,,Störtebeker Dunkel’’ probiert haben. Gibt es gleich nebenan.

Nach einigen Bieren zogen wir um 1 Uhr die Persenning übers Boot, rollten die Isomatten und Schlafsäcke aus und schliefen schnell ein.

Gegen 7:30 Uhr standen wir auf und frühstückten. Der Segelsack war ein gutes Kopfkissen. Nachdem alles aufgeräumt war, verlegten wir das Boot in den Stadthafen und holten uns beim Hafenmeister Duschmarken. Nach der Morgenwäsche füllten wir beide Wassertanks und liefen gegen 10:30 Uhr unter Motor aus Waren aus. Eine halbe Stunde später war der Motor aus und die Segel standen gut auf Am-Wind-Kurs.

Im Hintergrund die Skyline von Waren

Wir kreuzten aus der Binnenmüritz in südliche Richtung raus und machten nur wenig Fahrt, da der Wind nicht gerade kräftig war. Nach ca. einer Stunde frischte der Wind auf und unsere Fahrt erhöhte sich endlich. Leider hielt es nicht lange an und so dümpelten wir ab 13:30 Uhr in einer Flaute etwa 300 Meter vor der Hafeneinfahrt nach Klink. Wir nutzten die Zwangspause für ein Mittagessen in Klink. Leider waren alle Gastliegeplätze in dem kleinen Hafen belegt. So mussten wir einen privaten Platz belegen und hoffen, dass der Eigentümer nicht allzu schnell einlaufen wollte. Kurz nachdem wir endlich weitersegeln konnten, zog ein Gewitter auf. Da es immer etwas länger dauert, das durchgelattete Gaffel-Großsegel zu bergen, bargen wir es jetzt schon vorsorglich und fuhren unter Fock und Motor weiter in Richtung Sietow Dorf. Um 15:20 liefen wir in Sietow Dorf ein mussten wieder einen privaten Platz belegen. Kaum hatten wir festgemacht, fing es an wie aus Eimern zu schütten. Da gerade Hafenfest war, konnten wir uns an einem der zahlreichen Bierwagen unterstellen und einen ersten ,,Anleger’’ trinken. Nachdem das Gewitter vorbei war - wurde zu unserem Glück - ein geschützter Gastliegeplatz frei. Abends frischte es kräftig auf und die großen Jachten an der Außenseite der Stege schaukelten sehr heftig, sodass Fender und Festmacher stark strapaziert wurden. Unsere kleine Jolle lag aber gut geschützt und fast bewegungslos an der Innenseite. Die nervigen Schlager und Volkslieder des Hafenfestes hielten uns leider bis 2:00 Uhr wach.

Nachdem wir doch noch schlafen konnten, räumten wir um 10:00 Uhr das Boot auf, gingen in den Ort und frühstückten an einem kleinen Stand. Hinterher duschten wir noch schnell, um dann unter Motor auszulaufen. Leider war totale Flaute und der Spritverbrauch des kleinen 2-Takters sehr hoch. Als wir fast keinen Sprit mehr in den Kanistern hatten, gab uns ein Skipper den Tipp, auf dem nahegelegenen Camping-Platz nach Benzin zu fragen. Wir liefen den kleinen Strand an und machten das Boot an einem Baum fest. Dann gingen wir mit Kanister und Geld quer über den FKK-Campingplatz auf der Suche nach Treibstoff. Tatsächlich verkaufte uns ein Nackter 5 Liter Benzin. Öl hatten wir noch genug. Nun konnten wir weiter in Richtung Röbel fahren.


Am Strand des FKK-Campingplatzes bekamen wir Benzin

Kurz vor dem südlichen Binnensee kam plötzlich Wind auf und wir schalteten den Motor ab. Um noch ein bisschen zu segeln, kreuzten wir wieder ein Stück hinaus, um dann später unter Schmetterlings-Beseglung nach Röbel zu laufen. Erst wenige Meter vor dem Stadthafen bargen wir die Segel und hatten, da es erst nachmittags war, noch eine große Auswahl an freien Liegeplätzen.

Unter Schmetterling in den Hafen von Röbel

Nach dem Besuch bei der Hafenmeisterin guckten wir uns die Stadt an, saßen in einem Eiscafe direkt am Hafen und ich verschickte Postkarten. Abends wurde der Hafen schnell voller und bald waren alle 20 Gastliegeplätze belegt. Uns gegenüber lagen zwei Jollenkreuzer, deren Skipper noch eine zeitlang mein Boot bewunderten und mit denen ich prima fachsimpeln konnte. Wir gingen bereits um 22:00 Uhr schlafen, da in Röbel nichts los war und wir am nächsten Morgen früh loswollten um die Morgenbrise zu nutzen.

Schon um 7:30 frühstückten wir. Wir liefen unter Motor zum nahegelegenen Wasserservice Center, um beide Kanister und den Motor voll zu tanken. Hier konnte ich endlich den passenden Adapter für die Kabeltrommel kaufen, damit wir im nächsten Hafen Strom an Bord hatten. Allerdings gab es in den folgenden Häfen keine Landanschlüsse.

Frühstück an Bord 

Dazu gelernt: Lieber zu viel Sprit, als zu wenig!

Morgens war es diesig und man sah das Nordufer nicht

Um 9:30 liefen wir unter Motor weiter und eine halbe Stunde später schalteten wir den Motor aus und kreuzten aus der Binnenmüritz raus. Nachdem wir bei schwachem Wind Steinhorn umrundet hatten, schien ein Gewitter aufzuziehen, sodass wir vorsorglich das Großsegel bargen. Unter Fock und Motor liefen wir zum Anleger des Ludorfer Campingplatzes. Hier kaufte ich den halben Imbiss-Stand leer und um 14:45 Uhr liefen wir mit vollem Magen aus und nahmen Kurs auf Rechlin-Nord. Es wehte sehr schwacher Wind. Einen Kilometer vor der Hafeneinfahrt schlief Rolf auf dem Vordeck ein. Ich stellte die Segel ein, fixierte die Pinne mit zwei Gummi-Stropps und legte mich in die Plicht. Das Boot war sehr langsam und hielt vor dem Wind auf den Hafen zu. Als ich eine Weile dösend in der Sonne lag, fielen mir die Fahrwassertonnen ein. Ich raffte mich auf und sah ca. 10 Meter vor dem Bug eine recht solide wirkende Backbord-Tonne. Ab jetzt steuerte ich wieder von Hand. Kurz vor der Einfahrt: Segel runter, Motor an. Als wir durch den kleinen Kanal gefahren waren, fanden wir viele freie Gastliegeplätze vor. Wir sagten im Hafenbüro, dass wir höchstens eine Stunde bleiben wollten und durften kostenlos liegen.

In der Marina Claassee in Rechlin Nord

Wir suchten das Luftfahrt-Museum und fanden nur alte Kasernen, die von den Russen vor ein paar Jahren völlig verwahrlost zurückgelassen wurden. Heute nutzt die Bundeswehr das riesige Gelände. Um 17:20 Uhr standen wir vor den seit 17 Uhr geschlossenen Toren des Museums. Wir gingen zurück zum Hafen und tranken etwas im ,,Captain’s Inn’’. Anschließend liefen wir aus und segelten bei wenig Wind am Naturschutzgebiet entlang in Richtung Bolter Kanal.

Kurz vor dem Ziel frischte der Wind stark auf. Da nun endlich perfekte Segel-Bedingungen herrschten, beschlossen wir, noch ein paar Schläge zu segeln. Vor dem Kanal lagen ein paar Jachten vor Anker. Nachdem mein Rücken nassgespritzt war, versuchten wir mit der Fock möglichst hoch am Wind zu bleiben um das Großsegel zu bergen. Dann bargen wir die Fock und liefen vor Topp und Takel auf die Kanal-Einfahrt zu. Eine große Segeljacht nahm uns in Schlepp und so mussten wir den Motor auch im Kanal nicht starten. Als wir an zwei Pfählen mitten im Wald festgemacht hatten und das Boot aufgeräumt hatten, suchten wir auf dem Campingplatz die Duschen. In einem Restaurant bekamen wir noch etwas Warmes zu essen, obwohl die Küche eigentlich schon geschlossen hatte. Wir krochen müde in die Schlafsäcke und schliefen schnell ein.

Im Bolter Kanal lag das Boot sehr geschützt

Als ich am nächsten Morgen wach wurde erzählte mir mein Vater, der schon länger wach war, dass er durch das laute Gekreische der Seeadler nicht lange hatte schlafen können. Davon hatte ich in meinem Tiefschlaf nichts gehört. Als wir das Wetter und den Wind betrachteten, wollten wir nur noch segeln. Das Frühstück fiel also recht klein aus. Schnell aufgeräumt und dann unter Motor aus dem Kanal raus. Kaum hatten wir das freie Wasser erreicht, waren wir von den Wellen beeindruckt. Waren wir wirklich auf einem Binnengewässer? Unter Segel verhielt sich das kleine Boot prächtig in den kurzen, aber steilen Wellen. Es stampfte trotz der starken Höhe kaum und schob schäumende Gischt zu beiden Seiten. Auf den Wellen waren kräftige weiße Kämme zu erkennen und bereits nach zwei Schlägen waren wir am Steinhorn.

Gute Segelbedingungen auf dem Weg nach Waren

So kreuzten wir über den ganzen See 7 Stunden am Stück bis in die obere Binnenmüritz. Das viele Wasser in der Bilge erklärte ich mir dadurch, dass sich viel Wasser von den Wellen durch die trockenen Planken der Bordwand drückte. Doch dazu war es in den paar Stunden zu viel Wasser. Ich hob ein Bodenbrett und sah Wasser durch ein winziges Leck sickern. Durch den Seeschlag hatte sich eine alte Kupferniete verabschiedet und hinterließ ein kleines Loch. Ich konnte es behelfsmäßig abdichten und schöpfte das Wasser heraus. Es kam auch nichts mehr nach. Wir wollten die Müritz-Marina Kamerun anlaufen, doch der Wind kam aus einer ungünstigen Richtung und der alte Außenborder streikte zum ersten Mal. Wahrscheinlich war Spritzwasser an die Zündkerze gelangt. So segelten wir unter Fock bis an den Anleger. Nach einer Stunde Pause und einer kleinen Zwischenmahlzeit sprang auch der Motor wieder an. Da es bis Waren nur noch ein Katzensprung war, segelten wir nur unter Fock. Als wir wieder in dem Werftbecken lagen und alles aufgeräumt hatten, gingen wir zum Rock-Cafe und tranken ein paar Biere. Wir gingen früh schlafen, da wir morgens früh gleich das Boot aus dem Wasser holen wollten.

Nach dem Frühstück ging Rolf zum Werftbüro und bezahlte, während ich den Mast legte und das Boot zum Slippen vorbereitete. Das Slippen an sich war unproblematisch, doch als es schon zu spät war, bemerkte ich, dass sich die hinteren Auflagen des Trailers verdreht hatten und den Boden des Bootes eindrückten. Zum Glück ist Holz aber sehr elastisch. Dank der Unterstützung einiger Werftleute konnten wir die Stützen drehen, ohne das Boot noch einmal ins Wasser zu setzen. Wir verzurrten die Mantje Timpe Te mit kräftigen Gurten und verstauten die Ausrüstung und unser Gepäck teils im Auto, teils im Boot.

Nach dem Duschen im Stadthafen, suchten wir noch Mitbringsel für Rolfs Frau und meine Freundin. Dann saßen wir zufrieden in einem Restaurant und stärkten uns für die Autofahrt.

Als wir losfuhren, war der schöne und viel zu kurze Jollen-Törn um 15:30 zu Ende.

Zurück im Werftbecken in Waren

Im Nachhinein hat es sich auf jeden Fall mehr als gelohnt, die stressige Autofahrt auf sich zu nehmen. Das nächste Mal werde ich allerdings mehr Zeit mitbringen, um auch andere Seen und Kanäle in der Gegend zu befahren. Man braucht nicht viel und ein kleines Boot reicht aus, hat sogar Vorteile. Nicht einmal eine Kajüte ist notwendig! Meine Zelt-Persenning hat ihren Zweck wunderbar erfüllt! Vielleicht hat nach diesem Bericht der eine oder andere Lust bekommen. Ich könnte mir auch einen Urlaub mit mehreren Booten gut vorstellen.

Schade ist, dass die Hafenliegegebühren auch für kleine Boote recht hoch sind. Schön hingegen ist z.B., dass man einerseits gut ausgebaute Marinas und andererseits auch noch jede Menge Natur-Liegeplätze vorfindet. Hier ist das Liegen natürlich kostenlos.

Bei Fragen, Anregungen, Kritik usw. bitte mailen an: ruben.lehmann@t-online.de

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